Hammerschläge,
kreischendes Metall,
während aus allen Wolken
Vogelschwärme und ganze
Gesellschaften fallen.
Ihre Empörung lehrt, die
Netze zu flicken und über der Heimat
auszuspannen. Was dann durch die
Maschen fällt, sind Begriffe, befreit
von den täglichen Dingen.
Die Kirchentüren offen, schwarze Löcher
mit dem Lockduft der Verheißung, als würde
einer der Nächsten doch noch in die Falle gehen.
Stein auf Stein für eine abgeschlossene Ewigkeit,
in die sich die alten Geschichten gerettet haben,
nebenbei die Geduld der Zeichen im rechten
Winkel und die Stationen an die Wände genagelt,
schmerzende Handflächen und der Stich in die Brust.
Wenn du gehst, nimm das Leuchten aus
der gefangenen Stille mit und hoffe trotzdem
auf die Behütung all deiner Wege.
Niemand auf den freien Platz wünschen,
links oder rechts von der Mitte, keine
stille Post der Mißverständnisse,
lieber die Wälder in Watte packen
und die Meere schließen, die Gebirge
abbauen und andere Sachen.
Rosen können fliegen, Granaten
und Amphibien, sogar Arbeitnehmer
an Werktagen durch den offenen
Luftraum.
Ein Märchen ist das nicht,
sondern Tatsache, liebe Freunde.
Ihre Namen bringen sie mit,
ihre Koffer und Trauer, und
sind da, wie der Nachbar,
und suchen Worte mit den
Schlüsseln ohne Türen in den
Fäusten, den Sand der
Wüste in den Kleidern, die
Last der geborstenen Mauerbögen
auf den Schultern und die Namen
ihrer Katzen im Herz, und finden
ihre Bäume nicht, ihre Beete
und ihre Tage zwischen den Tagen,
aber sie sind da und fühlen die Welt
wie einen verheerenden Irrtum.
Wenn mir der Regen durchs Auge fällt,
bin ich nur noch Wassermann,
erfinderisch und freiheitsliebend.
Wer aber könnte mich retten, wenn mir
im Innern das Wasser bis zum Hals steht,
wer siegelt die Schleusen und schließt
die Wehre hinterm Brustbein, wer nimmt
die Wäsche von der Leine und ehrt
die altmodischen Regenschwüre ohne mich,
wer wirft die Rettungsringe hinaus
ins Leben und legt die angeschwemmten
Kadaver auf den Küchentisch,
wer zieht mir die davonschwimmenden
Felle über die Ohren?
Die Frau sitzt auf der Stuhlkante, ihre Tochter mit Pferdeschwanz und weißer Schleife auf dem Schoß. Der Sohn, ins Bild gebeugt, steht hinter ihnen. Abstehende Ohren, strenger Scheitel. Die Krawatte des toten Vaters um den Hals. Sie durchschaut das Objektiv, sieht am Ende der Allee einen Mann in Uniform, der ihr zuwinkt. Bitte lächeln, sagt der Photograph. Die Frau hört das Klicken des Auslösers. Sie sieht ihren Mann fallen. Die Hand des Sohnes auf ihrer Schulter. Liebe, liebe Mutter. Das Mädchen lächelt unter einer weißen Schleife, als könnte es in die Zukunft blicken.
Die Dunkelheit in den Augenhöhlen ist
tausend Jahre alt, wie die Krümme links
vom Jochbein. Die Last der Würde
einfach so auf Erden zurückgelassen,
wie Kelch und Patene ohne Handlung
von Schmutz bedeckt. Schau hin:
Als würden seine Knochenfinger
über Seide und Samt nach den
verlorenen Zusammenhang tasten.
Schon fegt der Pinsel staubselig
über die Trümmer der Halswirbel.
Beachte den Ring! Die Initialen
auf den Resten des Holzes verraten nichts!
Geburtstag und Todeszeit unbekannt.
Dazwischen ein abhandengekommenes
Leben voll verstohlener
Sehnsucht nach Sünde und Erlösung.
Bleibt zwischen den Kiefern
das endgültige Gutlachen im Ruhesanft.
Von einer Kinderschaukel sei ihm
der Sprung ins Himmelreich beinahe
gelungen, berichtet die Legende.
Wenn wir die Tür schließen, kehrt
die Dunkelheit zurück in die Lichtquellen.
Ich sah zwischen den Baumstämmen
seinen abstehenden Armstumpf,
an dem ein Marmeladeneimer
baumelte, randvoll mit
Knollenblätterpilzen, Gifthäublingen
und Spitzgebuckelten Rauköpfen.
Er wollte mich lehren, zu kochen
eine Speise aus Gras, Kräutern und Gift.
Nimm nichts von Fremden! Da schlug
er mich mit seinem Atem nieder.
Ich fand Rettung, wie so oft,
im Schatten der Buchen.
Gestorben ist er Jahre später
an Einsamkeit, verborgen hinter einem
Vorhang aus strömenden Regen.
Seine Rezepte nahm er mit ins Grab.
Solange ich glaube, daß Du mein Wesen liebst,
brauche ich nur zu warten. Um meine Ohren und Augen
mache ich mir keine Sorgen. Die Tage und Nächte scheren sich
nicht um unsere Zustände. Immer häufiger scheitere ich beim
Überspringe des Stöckchens und verlaufe mich im Trüben
umgeben von Stille.
Solange ich etwas glaube, hört es niemand. Zwischen Traum und
Geschichte schwinden die Abstände. Da kann ich zwei Stufen auf einmal
nehmen. Der letzte Sturz ist absehbar. Es geht um Bewegung, nicht um
Hoffnung oder Unsterblichkeit. Dabei denke ich mit Sorgfalt an dich,
obwohl die Welt vor dem allerletzten Schritt steht. Nur die Fische sind
ahnungslos.
Irgendetwas in unserer Nähe, treibt mich zur Flucht.
Denn schön sind wir nur auf Distanz. Deine Umarmung auf der
Türschwelle ergreift nur die Form des ersten Eindrucks.
Verrat könnte im Spiel sein, diese tückische Kugel im Kreislauf.
Die Art und Weise wie du den Tee einschenkst, befiehlt mir
zu hören und zu sehen. Jedes Wort wie ein heißer Bissen
auf der Zunge dreimal gedreht. Und die Hoffnung auf ein wenig
Zartgefühl umgeben von Sang und Klang. Schweigen macht
nicht unsichtbar, gehört aber zum Hokuspokus meiner Auftritte.
Ich sehe dich in der ersten Reihe, kurz bevor der Vorhang fällt.
»…ich, meine freunde, wir gehen, wir reden
immer ein menschliches wort.“
(Wulf Kirsten, aus „die
erde bei Meißen“,
„woherwohin“)«
Hinter uns Taupadel, vor uns der
Alte Gleisberg.
Dort sahen wir ein Gewitter und merkten, wo die Blitze Wunden am Hang geschlagen hatten.
Purpurn quollen Blutstropfen unterm Wiesendunst hervor. Die Blüten der Pfingstrosen. Mit dem
Wurzelstock in der Hand begannen wir die Flur neu zu vermessen und verschoben die
Grenzsteine unserer Erinnerungen. Auf der Höhe sahen wir die Brandnarben in den Wiesen. Die
laute Welt murrte fern. Nur eine Goldammer sang das Lied von der Einsamkeit. Da capo, da
capo, al fine. Abstieg durch die Buchenhallen des Nordhangs. Ratlos hielten wir Rast am
verlassenen Dachsbau. Und sahen überwinterte Blätter wie unsere Träume zu Tal wirbeln. Wir
trafen uns mitten in jener Zeile wieder: Auch das Vergangene ändert sich täglich. Also
ließen wir die Flasche kreisen und tischten auf unseren toten Wandergenossen. Was für ein
Fest. Hinter Löberschütz wären wir beinahe am Rand einer stillgelegten Strecke auf das
Abstellgleis geraten. Ein Geisterzug fuhr lautlos vorüber. Wir wendeten uns nicht. Rüttelnd
stand der Bussard im letzten Blau. Unser Tagwerk beschlossen wir Wort für Wort, zwei
Streckenläufer am Ende eines Tages, der keine Lüge gekannt hatte. Vor uns Taupadel, hinter
uns der Alte Gleisberg.
Dienstag, 12. 09.
19:30 Uhr
KulturZeit in St. Ursula Taubach 2023
Literarisch – musikalische Soiree
Wolfgang Haak liest Kurzprosa und Gedichte
Mit dem Kammerchor Collegium Canticum
Leitung: Annette Schicha